Estradiol

Estradiol

Grundlagen

Estradiol oder Östradiol ist ein natĂŒrlich vorkommendes Steroidhormon aus der Gruppe der Östrogene (weibliche Sexualhormone). Es ist im Handel in verschiedenen PrĂ€paraten erhĂ€ltlich. Diese Hormontherapieprodukte werden zur Behandlung von durch vulvo-vaginaler Atrophie ausgelöste Hitzewallungen in der Menopause, Östrogenmangel, und zur PrĂ€vention von postmenopausaler Osteoporose eingesetzt. Zudem wird das Hormon zur Linderungstherapie bei der Behandlung von Brustkrebs und androgenabhĂ€ngigem Prostatakrebs angewendet. Estradiol ist in der synthetischen Form Ethinylestradiol Bestandteil von oralen Kontrazeptiva zur SchwangerschaftsverhĂŒtung (Antibabypille).

Die Arzneimittel werden oral, vaginal (z.B. Vagninalringe) und transdermal (z.B. Pflaster) verabreicht und teilweise mit einem Gestagen kombiniert.

Wirkung

Pharmakodynamik

Estradiol wirkt durch Bindung an zwei Subtypen des Östrogenrezeptors: Estrogenrezeptor alpha (ERα) und Estrogenrezeptor beta (ERÎČ). Das Hormon hat auch eine starke agonistische Wirkung auf den G-Protein-gekoppelten Estrogenrezeptor (GPER), welcher ein wichtiger Regulator der schnellen Wirkungen des Estradiols ist. Sobald sich der Wirkstoff an seinen Östrogenrezeptor gebunden hat, dringt er in den Kern der Zielzelle ein und reguliert die Gentranskription und die Bildung der messenger-RNA. Diese mRNA tritt mit Ribosomen in Kontakt, die spezifische Proteine produzieren, welche die Wirkung von Estradiol auf die Zielzelle zum Ausdruck bringen. Der Agonismus von Östrogenrezeptoren verstĂ€rkt die proöstrogenen Wirkungen, was zur Linderung von vasomotorischen (die Bewegung der BlutgefĂ€ĂŸe betreffenden) und urogenitalen Symptomen eines postmenopausalen oder eines niedrigen Estradiolspiegels fĂŒhrt.

Estradiol ĂŒbt außerdem gĂŒnstige Wirkungen auf die Knochendichte aus, indem es die Knochenresorption hemmt.

Pharmakokinetik

Ethinylestradiol unterscheidet sich von Estradiol aufgrund seiner höheren BioverfĂŒgbarkeit und erhöhten Resistenz gegenĂŒber der Metabolisierung, wodurch es besser fĂŒr die orale Verabreichung geeignet ist.

Der First-Pass-Metabolismus im Gastrointestinaltrakt baut Estradiol-Tabletten schnell ab, bevor sie in den systemischen Kreislauf gelangen. Die BioverfĂŒgbarkeit von oralen Östrogenen betrĂ€gt daher nur 2–10 %. Nach der Aufnahme werden die Ester gespalten, was zur Freisetzung von körpereigenem Estradiol oder 17ÎČ-Estradiol fĂŒhrt.

Transdermale PrĂ€parate setzen Estradiol langsam durch die intakte Haut frei, wodurch die zirkulierenden Estradiolspiegel ĂŒber einen Zeitraum von 1 Woche aufrechterhalten werden. Die BioverfĂŒgbarkeit von Estradiol nach transdermaler Verabreichung ist etwa 20-mal höher als nach oraler Verabreichung. Transdermales Estradiol vermeidet Effekte des First-Pass-Metabolismus, welche die BioverfĂŒgbarkeit reduzieren.

Bei Vaginalringen und Cremezubereitungen wird das Hormon effizient ĂŒber die SchleimhĂ€ute der Vagina aufgenommen. Die vaginale Verabreichung von Östrogenen umgeht den First-Pass-Metabolismus.

Mehr als 95 % der Östrogene zirkulieren im Blut gebunden an Sexualhormon-bindendes Globulin (SHBG) und Albumin. Die Stoffwechselumwandlung findet hauptsĂ€chlich in der Leber und im Darm statt. Estradiol wird zu Estron metabolisiert, beide werden in Estriol umgewandelt, welches spĂ€ter mit dem Urin ausgeschieden wird.

Wechselwirkungen

Estradiol wird vorwiegend von CYP3A4 (Enzymfamilie) biotransformiert, daher sind entsprechende Arzneimittel-Wechselwirkungen mit CYP-Inhibitoren und -Induktoren möglich. Dazu gehören Antikonvulsiva (z.B. Phenobarbital, Phenytoin, Carbamazepin), Antiinfektiva (z.B. Rifampicin, Rifabutin, Nevirapin, Efavirenz) und Johanniskraut (Hypericum perforatum).
Bei vaginaler und transdermaler Anwendung von Estradiol sind klinisch relevante Arzneimittelwechselwirkungen nicht anzunehmen, da das Hormon kaum in das Blut- bzw. Lymphsystem des Körpers aufgenommen wird.

ToxizitÀt

Nebenwirkungen

Zu den hĂ€ufigsten möglichen unerwĂŒnschten Wirkungen gehören bei systemischer Anwendung: 

  • Vaginale Blutungen  
  • Bauchschmerzen, Übelkeit
  • Brustspannen, BrustvergrĂ¶ĂŸerung, Brustschmerzen
  • Depressionen
  • Gewichtszunahme 
  • Kopfschmerzen, Schwindel
  • KrĂ€mpfe in den Beinen
  • Ödeme
  • Reaktionen an der Applikationsstelle

Schwere Nebenwirkungen wie ein Ovarialkarzinom, Lebertumore und schwere kardiovaskulÀre Erkrankungen treten sehr selten auf, dies ist hauptsÀchlich bei einer lÀngerfristigen Therapie der Fall.

Toxikologische Daten

NOAEL bei Ratten nach 90 Tagen: 0,003 mg/kg/Tag fĂŒr Blut-, weibliche und mĂ€nnliche Reproduktions-, endokrine und LebertoxizitĂ€t

TDLO (geringste bekannte toxische Dosis) bei Frauen (oral): 21 mg/kg/21 Tage 

LD50 bei Ratten (oral): 960 mg/kg

Chemische & physikalische Eigenschaften

ATC Code D11AX34, G03CA03, G03CC13, G03CD03
Summenformel C18H24O2
Molare Masse (g·mol−1) 272,382
Aggregatzustand fest
Schmelzpunkt (°C) 173
Siedepunkt (°C) 445,9
PKS Wert 10,46
CAS-Nummer 50-28-2; 17916-67-5; 35380-71-3
PUB-Nummer 5757
Drugbank ID DB00783

Redaktionelle GrundsÀtze

Alle fĂŒr den Inhalt herangezogenen Informationen stammen von geprĂŒften Quellen (anerkannte Institutionen, Fachleute, Studien renommierter UniversitĂ€ten). Dabei legen wir großen Wert auf die Qualifikation der Autoren und den wissenschaftlichen Hintergrund der Informationen. Somit stellen wir sicher, dass unsere Recherchen auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basieren.
Markus FalkenstÀtter, BSc

Markus FalkenstÀtter, BSc
Autor

Markus FalkenstÀtter ist Autor zu pharmazeutischen Themen in der Medizin-Redaktion von Medikamio. Er befindet sich im letzten Semester seines Pharmaziestudiums an der UniversitÀt Wien und liebt das wissenschaftliche Arbeiten im Bereich der Naturwissenschaften.

Mag. pharm. Stefanie Lehenauer

Mag. pharm. Stefanie Lehenauer
Lektor

Stefanie Lehenauer ist seit 2020 freie Autorin bei Medikamio und studierte Pharmazie an der UniversitÀt Wien. Sie arbeitet als Apothekerin in Wien und ihre Leidenschaft sind pflanzliche Arzneimittel und deren Wirkung.

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