Harnwegsinfektionen

Harnwegsinfektionen
Internationale Klassifikation (ICD) N39.-
Symptome Schmerzen beim Wasserlassen, erschwerte Harnblasenentleerung, hĂ€ufiges Wasserlassen, HarnblasenkrĂ€mpfe, Blutbeimengungen im Urin, nĂ€chtlicher Harndrang, Schmerzen ĂŒber dem Schambein, Beimengungen von Eiter im Urin
Mögliche Ursachen Darmbakterien, E. coli, Harnabflussstörungen, Hohes Alter, Stoffwechselerkrankungen, Medizinische Eingriffe im Bereich der Harnwege, GeschwĂ€chtes Immunsystem, Hypothermie (UnterkĂŒhlung)
Mögliche Risikofaktoren Prostatahyperplasie (vergrĂ¶ĂŸerte Prostata), frĂŒhere Harnwegsinfektionen, Schwangerschaft, Mangel an Östrogenen
Wirkstoffe Fosfomycin , Trimethoprim , Nitrofurantoin

Grundlagen

Als Harnwegsinfektionen bezeichnet man infektiöse EntzĂŒndungen im Bereich der ableitenden Harnwege. Sie werden vor allem durch Bakterien, insbesondere Darmbakterien, verursacht. Zu den Teilen der Harnwege, welche betroffen sein können, zĂ€hlen der Harnleiter (Verbindung zwischen Niere und Harnblase), die Harnblase sowie die Harnröhre (Verbindung zwischen Harnblase und Genitalien). Es sind auch nichtinfektiöse Ursachen fĂŒr EntzĂŒndungen der Harnwege möglich.

Frauen sind weitaus hĂ€ufiger von einem Harnwegsinfekt betroffen als MĂ€nner. Ausschlaggebend dafĂŒr ist die bei Frauen kĂŒrzere Harnröhre, durch welche Bakterien wesentlich leichter in die Harnblase gelangen können. Es leidet ungefĂ€hr jede 10. Frau mindestens einmal pro Jahr unter einer BlasenentzĂŒndung. Bei MĂ€nnern treten Harnwegsinfektionen weitaus seltener auf, die HĂ€ufigkeit steigt jedoch mit zunehmendem Alter und steht oft im Zusammenhang mit einer ProstatavergrĂ¶ĂŸerung.

Einteilung

Grundlegend kann man Harnwegsinfektionen aufgrund der Lokalisation unterschieden werden:

  • Untere Harnwegsinfektion:
    Die Infektion befindet sich im Bereich der Harnröhre oder der Harnblase. Fachsprachlich wird die HarnblasenentzĂŒndung als Zystitis und die HarnröhrenentzĂŒndung als Urethritis bezeichnet. Eine alleinige Urethritis wird meist als eigenstĂ€ndige Erkrankung behandelt.
  • Obere Harnwegsinfektion:
    Manchmal kommt es zu einem aufsteigenden Infekt, sodass auch der Harnleiter und das Nierenbecken betroffen sind. Die infektiöse HarnleiterentzĂŒndung wird fachsprachlich als Ureteritis und die NierenbeckenentzĂŒndung als Pyelonephritis bezeichnet.

Seltenere Formen der HarnwegsentzĂŒndung sind:

  • Strahlenzystitis:
    Diese HarnblasenentzĂŒndung wird durch eine Bestrahlung (beispielsweise eine Strahlentherapie bei Krebs) ausgelöst.
  • Interstitielle Zystitis: 
    Hierbei handelt es sich um eine chronische BlasenentzĂŒndung, die nicht durch eine Infektion mit Erregern ausgelöst wird. Die Ursache ist bis heute weitgehend unbekannt.

Ursachen

Akute Harnwegsinfektionen werden am hĂ€ufigsten durch Darmbakterien verursacht, welche durch die Öffnung der Harnröhre in die ableitenden Harnwege gelangen. UngefĂ€hr 80 Prozent aller Harnwegsinfekte werden durch das Bakterium Escherichia coli (kurz: E. coli) ausgelöst. Weitere mögliche Erreger sind Proteus mirabilis, Staphylococcus saprophyticus, Klebsiella pneumoniae, Staphylococcus aureus und Enterokokken. Andere Erreger sind selten. 

FĂŒr Frauen sind zurĂŒckliegende Harnwegsinfektionen sowie Geschlechtsverkehr die grĂ¶ĂŸten Risikofaktoren. HĂ€ufiger Geschlechtsverkehr reizt die Harnröhre und vereinfacht den Bakterien das Eindringen in die Harnwege. Eine Harnwegsinfektion bei sexuell sehr aktiven Frauen wird umgangssprachlich auch als „Honeymoon-Zystitis“ („Hochzeitsreise-BlasenentzĂŒndung“) genannt. Auch wĂ€hrend einer Schwangerschaft erhöht sich das Infektionsrisiko, da die verĂ€nderten Hormonspiegel die Entstehung von Infektionen begĂŒnstigt. Ebenso fördert ein Mangel an Östrogenen, der besonders hĂ€ufig nach der Menopause auftritt, das pathologische Keimwachstum und vermindert die Keimabwehr.

FĂŒr MĂ€nner ist der grĂ¶ĂŸte Risikofaktor fĂŒr Harnwegsinfekte eine Prostatahyperplasie (VergrĂ¶ĂŸerung der Prostata).

Bei Frauen und MÀnnern können folgende Faktoren ein Risiko darstellen:

  • Harnabflussstörungen als Folge von Harnsteinen, Harnröhrenverengungen oder GeschwĂŒlsten
  • Höheres Alter
  • Stoffwechselerkrankungen, z.B. Diabetes mellitus oder HyperurikĂ€mie bzw. Gicht
  • Medizinische Eingriffe im Bereich der Harnwege, z.B. das Einsetzen eines Harnkatheters oder Blasenspiegelungen
  • ImmunschwĂ€che bei Neugeborenen und Kleinkindern als Folge chronischer Krankheiten oder Medikamente (z.B. Glukokortikoide)
  • Besonders hĂ€ufiger Geschlechtsverkehr oder spezielle Sexualpraktiken (wie Analverkehr ohne Verwendung eines Kondoms) 
  • UnterkĂŒhlung

HĂ€ufig entstehen Harnwegsinfekte als Folge von falsch durchgefĂŒhrten Hygienemaßnahmen. Insbesondere MĂ€dchen und Frauen sollten immer darauf Acht geben, sich von der Scheide zum After hin abzutrocknen. Beim Abtrocknen in die Gegenrichtung können Darmbakterien leicht zur Harnröhre verschleppt werden.

Nur selten dringen die Krankheitserreger im Rahmen einer systemischen Infektion primĂ€r ĂŒber das Blut in die Harnwege ein (hĂ€matogene Harnwegsinfektion).

Symptome

Eine Harnwegsinfektion mit Beteiligung der Harnblase (Zystitis) verursacht in der Regel folgende Beschwerden:

  • Dysurie: Schwierigkeiten beim Harnlassen
  • Algurie: Schmerzen beim Harnlassen
  • Pollakisurie: hĂ€ufiges Harnlassen in kleinen Mengen
  • Nykturie: nĂ€chtlicher Harndrang
  • Blasentenesmen: HarnblasenkrĂ€mpfe
  • HĂ€maturie: sichtbares (MakrohĂ€maturie) oder nicht sichtbares (MikrohĂ€maturie) Blut im Urin
  • Pyurie: sichtbarer Eiter im Urin
  • Schmerzen im Bereich des Unterbauchs

Breiten sich die Keime von der Harnblase ĂŒber die Harnleiter bis zu den Nieren aus, kann es zu einer NierenbeckenentzĂŒndung (Pyelonephritis) kommen. Diese Ă€ußert sich durch hohes Fieber, ein starkes KrankheitsgefĂŒhl und heftige Schmerzen im Nierenbereich.

Diagnose

Die Beschreibung des Krankheitsbildes bei einer Ă€rztlichen Anamnese lĂ€sst meistens schon eine Harnwegsinfektion mutmaßen. Um die Diagnose zu sichern, wird eine Harnuntersuchung durchgefĂŒhrt, bei welcher der Urin auf Bakterien, Nitrit (nur bei bakterieller Infektion der Harnwege im Urin nachweisbar), weiße und rote Blutkörperchen untersucht wird.

Um sicherzustellen, dass das Ergebnis nicht durch Bakterien der Harnröhrenaußenseite verfĂ€lscht wird, sollte die Harnprobe den Mittelstrahlurin beinhalten. Das bedeutet, dass bei der Urinprobennahme der erste Harnstrahl verworfen wird, bevor der restliche Harn in einem sterilen BehĂ€lter gesammelt wird.

ZusÀtzlich zu der Harnuntersuchung mittels Teststreifen können die Bakterien, welche die Infektion auslösen, mittels einer Harnkultur genauer bestimmt werden.

AbhĂ€ngig von der betroffenen Person und deren Vorerkrankungen kann eine weiterfĂŒhrende AbklĂ€rung mithilfe einer Ultraschalluntersuchung oder Endoskopie der Harnblase (Zystoskopie) sinnvoll sein. Speziell komplizierende Faktoren wie anatomische oder funktionelle EinschrĂ€nkungen sollten ausgeschlossen werden.

Urin-Test-Streifen creative commons CC BY-ND 3.0 / www.medicalgraphics.de
  1. Die erste Untersuchung erfolgt mittels Urin-Teststreifen. Dadurch lassen sich beispielsweise Erythrozyten, Leukozyten und Nitrit nachweisen, die fĂŒr eine Infektion sprechen.
  2. Bei komplizierten oder mehrmalig auftretenden Harnwegsinfekten wird mitunter auch eine Urinkultur angelegt. Dies ermöglicht eine exakte Bestimmung des Erregers und lĂ€sst auf eventuelle Antibiotika-Resistenzen rĂŒckschließen.
  3. Bei schweren VerlĂ€ufen, rezidivierenden Infekten oder Verdacht auf komplizierende Faktoren kann eine weitere AbklĂ€rung sinnvoll sein. Eine Ultraschall-Untersuchung ermöglicht die Beurteilung der Harnblase bzw. Nieren und kann Hinweise auf eine NierenbeckenentzĂŒndung oder Abflusshindernisse liefern. In seltenen FĂ€llen kann eine Zystoskopie (Harnblasenspiegelung) zusĂ€tzlich sinnvoll sein. Eine Verengung der ableitenden Harnwege lĂ€sst sich auch mittels einer Röntgenuntersuchung diagnostizieren.

Therapie

Die Therapie einer akuten Harnwegsinfektion hĂ€ngt maßgeblich von der betroffenen Person und der Lokalisation (Zystitis oder Pyelonephritis) der Infektion ab. Wichtige persönliche Faktoren sind Geschlecht, Schwangerschaft, Zustand vor bzw. nach den Wechseljahren und Vorerkrankungen.

Unkomplizierte BlasenentzĂŒndungen bei jungen Frauen heilen in etwa 30% bis 50% der FĂ€lle innerhalb einer Woche spontan ab, sodass eine Therapie mit einem Antibiotikum nicht immer notwendig ist. Zur Linderung von Beschwerden können krampflösende oder schmerzstillende Medikamente, wie Paracetamol oder Ibuprofen helfen. Ebenso kann ausreichendes Wassertrinken und WĂ€rme das Abklingen der Symptome unterstĂŒtzen.

In der Regel stehen jedoch, vor allem auch bei komplizierten und wiederauftretenden Harnwegsinfektionen eine Behandlung mit Antibiotika im Vordergrund. DafĂŒr genutzte Wirkstoffe sind unter anderem:

Die Antibiotika schlagen bei akuten BlasenentzĂŒndungen rasch an und beschleunigen die Abheilung der EntzĂŒndung.

Bei oberen Harnwegsinfekten (z.B. NierenbeckenentzĂŒndung) werden ebenfalls Antibiotika verabreicht. Begonnen wird die Therapie hierbei hĂ€ufig bereits mit Breitband-Antibiotika. Auch eine Therapie als Infusion ĂŒber die Vene (intravenöse Antibiose) kann indiziert sein. Bei schweren oder lĂ€ngeren VerlĂ€ufen sollte ein Erregernachweis mittels Bakterienkulturen angestrebt und die Therapie entsprechend der Antibiotika-Resistenzen mit einem geeigneten PrĂ€parat fortgesetzt werden.

Eine dauerhafte, vorbeugende Einnahme eines spezifischen Antibiotikums kann, unter RĂŒcksprache eines Arztes oder Urologen, insbesondere bei Frauen mit rezidivierenden Harnwegsinfekten sinnvoll sein. Um die Frequenz der Harnwegsinfekte zu verringern, können auch andere Medikamente und NahrungsergĂ€nzungsmittel eingesetzt werden.  Beschriebene Wirkstoffe sind dabei unter anderem L-Methionin, Laktobazillen, Mannose, Hydrochinon und Cranberriesaft. Die wissenschaftlichen Daten zu den Substanzen sind nicht eindeutig und die Wirkung nicht immer sicher belegt.  

Prognose

Bei richtiger Behandlung heilt ein Harnwegsinfekt in der Regel nach wenigen Tagen ab. Vor allem Frauen unterliegen einem höheren Risiko, an wiederkehrenden Harnwegsinfekten zu leiden. Diese sind jedoch meistens ebenfalls gut therapierbar.

Wenn zusĂ€tzlich zur unteren Harnwegsinfektion etwaige ZustĂ€nde wie eine Harnabflussstörung (z.B. durch eine vergrĂ¶ĂŸerte Prostata) oder Fehlbildungen der Harnleiter vorliegen, stellen diese ein zusĂ€tzliches Risiko dar, dass die Infektion in die oberen Harnwege aufsteigt und dadurch eine NierenbeckenentzĂŒndung hervorruft. Es empfiehlt sich daher, diese Risikofaktoren zu behandeln.

Wenn ein Harnwegsinfekt nicht angemessen therapiert wird, kann dieser sich weiter ausbreiten und in den Blutkreislauf ĂŒbergehen (Urosepsis). Dies kann zu einer lebensgefĂ€hrlichen Erkrankung fĂŒhren.

Vorbeugen

Um eine Harnwegsinfektion vorzubeugen, können folgende Maßnahmen hilfreich sein:

  • Auf eine ausreichende FlĂŒssigkeitszufuhr achten:
    Es empfiehlt sich, tĂ€glich mindestens 1,5 bis 2 Liter FlĂŒssigkeit, wie Waser oder ungesĂŒĂŸte Tees, zu trinken, um die ableitenden Harnwege gut durchzuspĂŒlen. ErgĂ€nzend dazu können auch spezielle Blasen- und Nierentees getrunken werden, welche durch ihre enthaltenen Pflanzenextrakte wie Birke, Brennnessel, Wacholder oder Schachtelhalm die Nieren zu einer erhöhten Harnproduktion anregen können.
  • Die FĂŒĂŸe sowie den Unterleib nicht auskĂŒhlen lassen:
    nasse Kleidung und Badesachen sollten wenn möglich sofort ausgezogen werden.
  • Intimhygiene: 
    hierbei empfiehlt es sich, auf die ĂŒbertriebene Verwendung von SpĂŒlungen und Intimlotionen zu verzichten.
  • BĂ€rentraubenblĂ€ttertee:
    Der enthaltene Wirkstoff Hydrochinon wirkt desinfizierend auf den Harn und kann somit das Risiko fĂŒr Harnwegsinfekte senken. 
  • Cranberries:
    Die Beeren enthalten viele Tannine (Gerbstoffen), deren Wirkung den Bakterien eine Anheftung an die Innenwand der Harnblase bzw -wege erschwert. Die Cranberry-PrÀparate sind als Kapseln, Tee oder Saft erhÀltlich.

Redaktionelle GrundsÀtze

Alle fĂŒr den Inhalt herangezogenen Informationen stammen von geprĂŒften Quellen (anerkannte Institutionen, Fachleute, Studien renommierter UniversitĂ€ten). Dabei legen wir großen Wert auf die Qualifikation der Autoren und den wissenschaftlichen Hintergrund der Informationen. Somit stellen wir sicher, dass unsere Recherchen auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basieren.
Olivia Malvani, BSc

Olivia Malvani, BSc
Autor

Als Studentin der ErnĂ€hrungswissenschaften verfasst sie Magazinartikel zu aktuellen medizinisch-pharmazeutischen Themen und verbindet diese mit ihrem persönlichen Interesse fĂŒr prĂ€ventive ErnĂ€hrung und Gesundheitsförderung.

Dr. med. univ. Bernhard Peuker, MSc

Dr. med. univ. Bernhard Peuker, MSc
Lektor

Bernhard Peuker ist Lektor sowie Medical Advisor bei Medikamio und arbeitet als Arzt in Wien. Bei der Arbeit lĂ€sst er sein klinisches Wissen, praktischen Erfahrungen und wissenschaftliche Leidenschaft einfließen.

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