Vorzeitiger Samenerguss

Vorzeitiger Samenerguss
Internationale Klassifikation (ICD) F52.-
Symptome eingeschrÀnkte LebensqualitÀt, unzufriedenstellende SexualitÀt, unzufriedenstellende IntimitÀt
Mögliche Ursachen Störungen der SexualitÀt
Mögliche Risikofaktoren Angststörung, Steroideinnahme, Medikamenteneinnahme, Diabetes mellitus, frĂŒhere Harnwegsinfektionen
Mögliche Therapien LokalanÀsthetika (örtliche BetÀubung), Squeeze-Technik, Psychotherapie, Medikamente
Wirkstoffe Lidocain , Sildenafil

Grundlagen

Beim vorzeitigen Samenerguss (Ejaculatio praecox) handelt es sich um eine weit verbreitete und wenig verstandene sexuelle Störung, wodurch Betroffene oft IntimitĂ€t sowie SexualitĂ€t vermeiden. Der Begriff Ejacuatio praecox stammt aus dem Lateinischen und bedeutet ĂŒbersetzt „frĂŒhzeitiges Auswerfen”.

Nach der international gĂŒltigen ICD-10 Krankheitsklassifikation handelt es sich beim vorzeitigen Samenerguss um die UnfĂ€higkeit, den Samenerguss so zu kontrollieren, um beiden Partnern einen zufriedenstellenden Geschlechtsverkehr zu ermöglichen. Die Ejakulation erfolgt dabei bei mehr als 75 % der Betroffenen bereits vor oder wĂ€hrend der Penetration.

Die Erkrankung kann in eine primÀre und eine sekundÀre Form eingeteilt werden:

  1. Der primÀre vorzeitige Samenerguss besteht bei Erstdiagnose durch eine Urologin oder einen Urologen meist schon lange Zeit. Er ist angeboren beziehungsweise war bei Betroffenen schon immer eine intravaginale Ejakulationszeit von unter einer Minute vorhanden.

  2. Die sekundÀre Form der Erkrankung entsteht aufgrund von unterschiedlichen Ursachen wie beispielsweise hormonellen VerÀnderungen oder auch VerÀnderungen am Penis. Diese Form wird oftmals von Erektionsproblemen (Erektile Dysfunktion) begleitet.

Eine große Rolle beim vorzeitigen Samenerguss spielt das individuelle psychosexuelle Wohlbefinden. Die durchschnittliche intravaginale Ejakulationszeit von MĂ€nnern ĂŒber alle Altersklassen verteilt betrĂ€gt im Durchschnitt 7 Minuten. 

Ursachen

Der vorzeitige Samenerguss kann sowohl körperlich als auch psychisch bedingt sein. Deshalb sollten zur Therapie körperliche, medikamentöse und auch psychotherapeutische Behandlungsmöglichkeiten in ErwÀgung gezogen werden.

Mögliche psychische Ursachen des vorzeitigen Samenergusses:

  • Störungen der SexualitĂ€t 

  • Angststörungen

  • Reflexe aus der beginnenden SexualitĂ€t in der Jugend

  • Eine restriktive Erziehung in Bezug auf SexualitĂ€t als Kind

  • Unrealistische Erwartungen oder Vorstellungen von SexualitĂ€t

  • Sexuelles Leistungsdenken

Die sekundĂ€re Form des vorzeitigen Samenergusses wird bei MĂ€nnern oft durch eine Steroideinnahme (z. B. im Kraftsport) verursacht. Durch den TestosteronĂŒberschuss kommt es zu einer hormonellen Umstellung und schließlich zu einer verfrĂŒhten Ejakulation. Auch Medikamente, etwa Opioide oder Sympathomimetika, können einen vorzeitigen Samenerguss verursachen. Organische Risikofaktoren fĂŒr die Erkrankung sind Harnwegsinfektionen beziehungsweise Diabetes mellitus.

Spermien (iStock / Christoph Burgstedt)

Die physiologischen VerÀnderungen

Derzeit versteht man den vorzeitigen Samenerguss als neurobiologisches Problem, das durch eine verminderte Serotonin-Neurotransmission verursacht wird. Ebenfalls spielt möglicherweise auch eine verminderte oder auch verstÀrkte SensibilitÀt von Serotoninrezeptoren eine Rolle in der Krankheitsentstehung. Die Theorie der Rezeptorstörung erklÀrt beispielsweise auch, dass der vorzeitige Samenerguss familiÀr gehÀuft auftritt.

Symptome

Betroffene leiden oft unter einer eingeschrĂ€nkten LebensqualitĂ€t und einer unzufriedenstellenden SexualitĂ€t sowie IntimitĂ€t. Der vorzeitige Samenerguss kann eine Partnerschaft belasten und zur Vermeidung von SexualitĂ€t fĂŒhren. Obwohl die Erkrankung einen signifikanten Leidensdruck verursacht, suchen nur wenige Betroffene medizinische Hilfe.

SchamgefĂŒhl (iStock / peakSTOCK)

Diagnose

Die Diagnostik des vorzeitigen Samenergusses sollte bei einem auf dem Gebiet erfahrenen Urologen erfolgen. Hier kann die Problematik einfĂŒhlsam und ausfĂŒhrlich besprochen werden. Zudem erfolgt meist eine genaue Sexual-, Sozial- und Medikamentenanamnese, da manchmal Psychopharmaka oder auch Blutdruckmittel fĂŒr den vorzeitigen Samenerguss verantwortlich sind. Im vertraulichen GesprĂ€ch wird außerdem erfragt, wie lange es beim Geschlechtsverkehr bis zur Ejakulation dauert. Neben einer routinemĂ€ĂŸigen urologischen Untersuchung sind in der Regel keine weiteren Untersuchungen fĂŒr die Diagnosestellung notwendig.

Therapie

Zur Therapie des vorzeitigen Samenergusses gibt es verschiedene Optionen, wobei oftmals unterschiedliche Behandlungen bis zu einer Besserung ausprobiert werden mĂŒssen. Zu Beginn verschreibt der behandelnde Urologe meist eine Creme, die ein LokalanĂ€sthetikum enthĂ€lt und welche vor dem Geschlechtsverkehr angewendet wird. LokalanĂ€sthetika wie Lidocain oder Prilocain sind Wirkstoffe, die die Haut betĂ€uben und die SensibilitĂ€t am Penis verringern. Die Anwendung dieser Creme beruht auf der Annahme, dass die Penisspitze von MĂ€nnern mit vorzeitigem Samenerguss zu sensibel ist. 

Die Squeeze-Technik:

Eine mechanische Therapieoption zur Behandlung der Erkrankung ist die sogenannte Squeeze-Technik. Durch ihre Anwendung soll durch eine Geschlechtsverkehrunterbrechung und andererseits durch den Druck auf die Eichel die BlutfĂŒlle im Schwellkörper vermindert werden. Meist zeigt ihre Anwendung alleine jedoch keine zufriedenstellenden Ergebnisse.
Da ein vorzeitiger oft eine psychische Komponente als Ursache hat und einen massiven Leidensdruck auslöst, ist die Psychotherapie ein fester Bestandteil der Therapie.

Psychotherapeutische Verfahren:

  • Sexualtherapie 

  • Paartherapie 

  • Kognitive Verhaltenstherapie (KVT)

  • Familientherapie

Medikamentöse Therapiemöglichkeiten:

Auch klassische Potenzmittel wie Phosphodiesterase-V-Hemmer (PDE-5-Hemmer) können zur Therapie des vorzeitigen Samenergusses eingesetzt werden. Wirkstoffe dieser Gruppe sind unter anderem Sildenafil oder Tadalafil. Die Anwendung erfolgt derzeit “Off-Label”, dies bedeutet, dass obwohl eine Wirkung diskutiert wird, das Medikament nicht offiziell fĂŒr die Indikation vorzeitiger Samenerguss zugelassen ist. Derzeit gibt es zwei unterschiedliche Theorien zur Anwendung von PDE-5-Hemmer beim vorzeitigen Samenerguss:

  1. Ein zentralnervöser Wirkmechanismus, da nachgewiesen werden konnte, dass im Rahmen des Ejakulationsreflexes das PDE-5-Enzym in der Signaltransduktion wichtig ist.

  2. Ein peripherer Wirkmechanismus, da durch die Relaxation der glatten Muskelzelle ein verzögerter Ausstoß der SamenflĂŒssigkeit in die hintere Harnröhre eintritt. 

Auch selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) wie Sertralin oder Paroxetin, die zur Behandlung von Depressionen eingesetzt werden, verursachen als Nebenwirkung eine verzögerte Ejakulation. Da sie jedoch langfristig angewendet werden mĂŒssen, sind kurzwirksame SSRIs wie beispielsweise Dapoxetin zur "Off-Label"-Behandlung der Erkrankung besser geeignet. Das Nutzen-Risiko-VerhĂ€ltnis wird jedoch kritisch diskutiert. 

(iStock / dima_sidelnikov)

Prognose

Die Prognosen des vorzeitigen Samenergusses sind individuell unterschiedlich, wobei die sekundĂ€re Form insgesamt besser behandelbar ist. Hier stellt sich nach Behebung der Ursache (z. B. Beendigung der Steroideinnahme, der Opioideinnahme oder nach Behandlung von PenisverĂ€nderungen) oft rasch eine Besserung der Beschwerden ein. Die Behandlung des primĂ€ren vorzeitigen Samenergusses gestaltet sich oft schwieriger, wobei oftmals verschiedene Behandlungsmethoden ausprobiert werden mĂŒssen, bevor sich ein bleibender Therapieerfolg einstellt.

Redaktionelle GrundsÀtze

Alle fĂŒr den Inhalt herangezogenen Informationen stammen von geprĂŒften Quellen (anerkannte Institutionen, Fachleute, Studien renommierter UniversitĂ€ten). Dabei legen wir großen Wert auf die Qualifikation der Autoren und den wissenschaftlichen Hintergrund der Informationen. Somit stellen wir sicher, dass unsere Recherchen auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basieren.
Dr. med. univ. Moritz Wieser

Dr. med. univ. Moritz Wieser
Autor

Moritz Wieser hat das Studium der Humanmedizin in Wien absolviert und studiert derzeit Zahnmedizin. Er verfasst vorrangig Artikel zu den hĂ€ufigsten Krankheiten. Besonders interessiert er sich fĂŒr die Themenbereiche Augenheilkunde, Innere Medizin und Zahnmedizin.

Dr. med. univ. Bernhard Peuker, MSc

Dr. med. univ. Bernhard Peuker, MSc
Lektor

Bernhard Peuker ist Lektor sowie Medical Advisor bei Medikamio und arbeitet als Arzt in Wien. Bei der Arbeit lĂ€sst er sein klinisches Wissen, praktischen Erfahrungen und wissenschaftliche Leidenschaft einfließen.

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