Neue Erkenntnisse bei der Behandlung von MigrÀne

MigrÀneattacke

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MigrĂ€ne ist auf Platz 2 bei der am meisten beeintrĂ€chtigenden Krankheiten weltweit. 11% der österreichischen Bevölkerung sind davon betroffen. Über 200 verschiedene Kopfschmerzarten sind bereits beschrieben. Doch der pathologische Mechanismus hinter der Krankheit ist immer noch nicht vollstĂ€ndig geklĂ€rt. Ein deutsches Forscherteam hat nun neue Erkenntnisse in die Debatte der MigrĂ€neentstehung gebracht. Zudem ist ein neuer Wirkstoff auf den Markt gekommen, der gleich eine eigene Wirkstoffklasse darstellt.

Pathologische Mechanismen und Ursachen der MigrÀne

Bei der MigrĂ€ne handelt es sich um anfallsartige, in Episoden ablaufende chronische Kopfschmerzen, die sehr stark sein können und oft auch von Begleiterscheinungen geprĂ€gt sein können. Beschrieben werden diese als pulsierend, pochend oder hĂ€mmernd und befinden sich meistens auf einer Seite des Kopfes. AktivitĂ€t verschlechtert das Leiden. Zu den Begleiterscheinungen zĂ€hlen Übelkeit, Erbrechen, Geruchsempfindlichkeit, Lichtscheue,GerĂ€uschempfindlichkeit, AugentrĂ€nen oder Schwindel. ZusĂ€tzlich kann es auch zu einer Aura kommen. Diese geht meist den Schmerzen voraus und kann sich in Form von Sehen von Lichtblitzen (Flimmerskotom), Sprach- oder GefĂŒhlsstörungen Ă€ußern.

Der genaue pathologische Mechanismus ist immer noch nicht geklĂ€rt. Es existieren bisher nur Hypothesen, welche noch nicht vollstĂ€ndig ĂŒberprĂŒft werden konnten. Vermutet wird, dass es sich bei der MigrĂ€ne um eine Erweiterung der BlutgefĂ€ĂŸe im Gehirn handelt. Diese Ausdehnung (Vasodilatation) wird durch den trigeminovaskulĂ€ren Reflex verursacht, so die Theorie. Durch Schmerzrezeptoren in den BlutgefĂ€ĂŸen kommt es zu einer Reizung des Nervus trigeminus, danach zu einer Ausbreitung der elektrischen Impulse ĂŒber die Großhirnrinde und somit zum Schmerzempfinden.

MigrÀne Aura

MigrÀne Aura (WestWindGraphics/iStock)

Neue Ursache entdeckt

Ein deutsches Forscherteam hat vor kurzem einen Zusammenhang zwischen dem Trapezius-Muskel, dem großen Nackenmuskel und MigrĂ€ne entdeckt. Sie konnten feststellen, dass es bei Menschen mit Kopfschmerzen zu einer Erhöhung der EntzĂŒndungsparameter kommt. Diese kleinen EntzĂŒndungen wurden mittels MRT sichtbar gemacht. Entscheidend fĂŒr die Diagnostik ist hierbei ein hyperintenses Signal in der T2-Wichtung. Die T2-Wichtung ist eine Kontrastdarstellung des MRT-Bildes, wo dieses durch die T2-Relaxationszeit differenziert wird. Gibt es EntzĂŒndungen, ist eben dieses Signal erkennbar. T2 war bei Menschen mit Kopfschmerzen gegenĂŒber der Kontrollgruppe signifikant erhöht. Ein noch höheres Signal gab es allerdings bei ProbandInnen mit MigrĂ€ne. Ebenso fand die Forschungsgruppe heraus, dass T2 mit der Anzahl der Kopfschmerztage korreliert. Je grĂ¶ĂŸer die Anzahl, desto grĂ¶ĂŸer das Signal. Die neue Erkenntnis könnte einen Ansatz fĂŒr neue Therapiemöglichkeiten in der MigrĂ€nebehandlung bieten, bei denen man auf Medikamente verzichten könnte. Durch eine nichtmedikamentöse Therapie hĂ€tte man auch keine Nebenwirkungen und Wechselwirkungen mehr zu befĂŒrchten.

Trapez-Muskel

Trapez-Muskel (magicmine/iStock)

Therapie der MigrÀne

Bei der Behandlung der MigrĂ€ne muss man zwei unterschiedliche Methoden betrachten. Die erste ist die Akuttherapie, bei der MigrĂ€neattacken therapiert werden. Die zweite ist die Prophylaxe, bei der man medikamentös versucht, die Anzahl der Kopfschmerztage zu reduzieren. 

Akuttherapie

Bei der Akuttherapie der MigrĂ€ne kommen gleich mehrere Wirkstoffklassen zum Einsatz. Am wirksamsten ist die Wirkstoffklasse der Triptane. Die Triptane wirken, indem sie an die 1B und 1D Subtypen der Serotonin-Rezeptoren binden. Sie bewirken eine GefĂ€ĂŸverengung (Vasokonstriktion), welche somit die Schmerzen unterdrĂŒcken soll. Eine weitere Gruppe sind die Gepante. Sie wirken durch eine antagonistische Wirkung am CGRP-Rezeptor (Calcitonin Gene-Related Peptide). Die Aktivierung (Induktion) dieses Rezeptors verursacht ebenso eine GefĂ€ĂŸerweiterung (Vasodilatation). Einige weitere Wirkstoffklassen werden ebenfalls zur akuten Behandlung der MigrĂ€ne verwendet, sind aber nicht so wirksam, wie die hier beschriebenen. Dazu gehören die Mutterkornalkaloide und Nicht-Opioid-Analgetika. Die Mutterkornalkaloide werden nur selten verschrieben, da das Nebenwirkungsprofil meist sehr groß ist und die Wirkung nicht so stark ist wie die der Triptane. Bei den Nicht-Opioid-Analgetika handelt es sich um die allseits bekannten Schmerzmittel wie Ibuprofen, AcetylsalicylsĂ€ure (Aspirin), Diclofenac und viele mehr. Bei dieser Gruppe besteht das Problem, dass sich nicht gut genug wirken, um eine mittelschwere bis starke MigrĂ€neattacke adĂ€quat therapieren zu können.  

Prophylaxe

Übersteigt die Zahl der MigrĂ€neattacken 15 Kopfschmerztage im Monat, kann an eine Prophylaxe gedacht werden. Es wird versucht, mittels Medikamenten die Anfallsanzahl zu reduzieren. Die meisten Prophylaxemittel sind primĂ€r nicht fĂŒr einen Einsatz bei der MigrĂ€nebehandlung entwickelt worden, sondern stellten sich erst spĂ€ter als wirksam heraus. Zum Einsatz kommen hier etwa Betablocker, wie Metoprolol, Propranolol oder Bisoprolol. Diese sind eigentlich als Medikamente zur Therapie von Bluthochdruck gedacht. Sie werden grundsĂ€tzlich in Form von Tabletten eingenommen und sind die Wirkstoffklasse der Wahl bei der prophylaktischen MigrĂ€nebehandlung. Am wirksamsten sind Metoprolol und Propranolol. Flunarizin ist zwar auch ein Medikament zur Behandlung von Bluthochdruck, gehört allerdings zu einer anderen Wirkstoffklasse und kann als einziger Vertreter dieser Klasse zur MigrĂ€nevorbeugung eingesetzt werden. Antiepileptika, wie Topiramat oder ValproinsĂ€ure können nicht nur die HĂ€ufigkeit von epileptischen AnfĂ€llen reduzieren, sondern auch die der MigrĂ€neattacken. Zu beachten ist allerdings, dass diese beiden Vertreter erst dann eingesetzt werden, wenn keine Betablocker als Therapie infrage kommen, da die Antiepileptika ein grĂ¶ĂŸeres Nebenwirkungsprofil besitzen. Pizotifen und Methysergid wirken ĂŒber eine Hemmung von Serotonin-Rezeptoren, werden aber aufgrund zahlreicher schwerer Nebenwirkungen kaum mehr eingesetzt. Die CGRP-Inhibitoren, wie Erenumab, Fremanezumab oder Glacanezumab sind monoklonale Antikörper, welche aus Tieren, meist MĂ€usen, entnommen, aufbereitet und dann verabreicht werden können. Diese zĂ€hlen eigentlich zu den Mitteln der Krebstherapie, haben sich aber ebenfalls bei der MigrĂ€netherapie als wirksam erwiesen. Nachteil bei diesen PrĂ€paraten ist allerdings, dass sie entweder ins Unterhautfettgewebe oder in die Vene appliziert werden mĂŒssen und deshalb auch von geschultem Personal verabreicht werden mĂŒssen.

MigrÀnetherapeutika

MigrÀnetherapeutika (igoriss/iStock)

Neuer Wirkstoff zugelassen

Im Dezember 2022 wurden neue Wirkstoffe zur MigrĂ€nebehandlung zugelassen. Die wichtigste Entdeckung ist die von Lasmiditan. Mit diesem neuen Wirkstoff wurde zugleich eine neue Wirkstoffklasse entwickelt, die Ditane. Lasmiditan ist ein neuartiger Wirkstoff zur Akutbehandlung der MigrĂ€ne. Anders als die Triptane wirkt er am 1F-Subrezeptortyp, mit dem Vorteil, dass er so keine Nebenwirkungen am Herzen hervorrufen kann. Die Wirkung von Lasmiditan ist nicht vollstĂ€ndig geklĂ€rt, es wird aber davon ausgegangen, dass es die Freisetzung von Neuropeptiden hemmt, die fĂŒr die Schmerzweiterleitung verantwortlich sind. Ditane sind allerdings nicht das Mittel der Wahl. Sie sollten nur zum Einsatz kommen, wenn die Gruppe der Triptane nicht wirksam ist, oder aber eine Kontraindikation fĂŒr die Triptaneinnahme besteht. Die Wirksamkeit von Lasmiditan wurde in Studien bestĂ€tigt, Vergleichsstudien zu den Triptanen sind jedoch noch ausstĂ€ndig.

Grafik Strukturformel des Wirkstoffs Lasmiditan

Fazit

Mit der Zunahme der MigrĂ€nepatientInnen steigt natĂŒrlich der Bedarf an wirksamen Behandlungsmöglichkeiten. Gerade bei der MigrĂ€ne wirkt nicht jedes PrĂ€parat bei jeder/jedem gleich und somit mĂŒssen neue Therapiemöglichkeiten gefunden werden. Die in diesem Artikel beschriebenen neuen Erkenntnisse können zur besseren Versorgung von MigrĂ€nepatientinnen beitragen und machen neue Hoffnungen fĂŒr die Personen, bei denen bisherige Therapien versagen. 

Redaktionelle GrundsÀtze

Alle fĂŒr den Inhalt herangezogenen Informationen stammen von geprĂŒften Quellen (anerkannte Institutionen, Fachleute, Studien renommierter UniversitĂ€ten). Dabei legen wir großen Wert auf die Qualifikation der Autoren und den wissenschaftlichen Hintergrund der Informationen. Somit stellen wir sicher, dass unsere Recherchen auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basieren.
Thomas Hofko

Thomas Hofko
Autor

Thomas Hofko befindet sich im letzten Drittel seines Bachelorstudiums der Pharmazie und ist Autor und Lektor fĂŒr pharmazeutische Themen. Er interessiert sich besonders fĂŒr die Bereiche Klinische Pharmazie und Phytopharmazie.

Letztes Update

27.06.2024

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