Neue Therapieempfehlungen zum Restless-Legs Syndrom

Abbildung von unruhigen Beinen

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Das Restless Legs Syndrom (kurz: RLS) gilt als eine der hĂ€ufigsten neurologischen Krankheiten in den westlichen IndustrielĂ€ndern. Die Diagnose und richtige Therapie erfolgen oftmals spĂ€t und stellen unter anderem aufgrund der hohen Augmentationsrate, einer VerstĂ€rkung der Symptome durch eine zu hoch dosierte Therapie mit Dopamin-wirksamen Medikamenten, eine große sozioökonomische Belastung fĂŒr das Gesundheitswesen dar. Eine neue S2k-Leitlinie der DGN und DGSM wirft neues Licht auf das VerstĂ€ndnis des Krankheitsbildes und die empfohlenen Therapieoptionen.

Abbildung von unruhigen Beinen

AndreyPopov / iStock

Restless Legs Syndrom

Laut Prof. Dr. Claudia Trenkwalder, eine der Autorinnen der neuen Leitlinie zum Restless-Legs Syndrom, mindert der hohe Leidensdruck der Betroffenen die Lebensqualität enorm. Es sei wichtig, den Stand der Forschung allen Behandlern zugänglich zu machen, um allen Betroffenen eine bestmögliche Diagnostik und Therapie zu ermöglichen.

RLS-Patienten leiden unter einem nachts auftretenden Bewegungsdrang in den Beinen, welcher häufig mit Missempfindungen und Schmerzen verbunden ist. Dies resultiert oftmals in Schlafstörungen und verminderter Schlafqualität. Auffällig sind auch Folgen wie Depressionen und Tagesmüdigkeit bzw. chronische Erschöpfung.

Bild von einem schmerzenden Bein AndreyPopov / iStock

Typische Symptome sind ein Kribbeln, Elektrisieren, Ziehen, Stechen, Brennen, Ameisenlaufen, DruckgefĂŒhl, KrĂ€mpfe, Heiß- oder KaltgefĂŒhl in den Gliedmaßen, welche sich vor allem in den Phasen körperlicher Ruhe oder im Liegen zeigen. Durch das Nachgeben des Bewegungsdranges werden die Missempfindungen ĂŒblicherweise rasch gelindert.

Bis heute wurden die genauen pathophysiologischen Ursachen noch nicht geklÀrt, es wird mit dem aktuellen Wissenstand von einer multifaktoriellen Entstehung durch VerÀnderungen des Eisen- und Dopaminstoffwechsels und einer genetischen Veranlagung gesprochen.
Niedrige Eisenwerte sind bei vielen RLS-Betroffenen nachweisbar und bestÀrken die Vermutung, dass die Pathogenese des Syndroms mit einer Störung des Eisenstoffwechsels assoziiert ist. LÀnger bekannt ist der Zusammenhang des Krankheitsbildes mit einem Ungleichgewicht des Neurotransmitters Dopamin. In mehreren bildgebenden Untersuchungen konnten prÀsynaptisch erhöhte und eine postsynaptisch erniedrigte Dopaminkonzentrationen gezeigt werden.
Weiters spielen genetische Faktoren eine bedeutende Rolle bei der Entstehung der Krankheit, was sich an der hÀufig positiven Familienanamnese der Erkrankten zeigt.

Um ein Restless-Legs Syndrom zu diagnostizieren, müssen Betroffene alle der fünf Diagnosekriterien erfüllen. Zur weiteren Absicherung wird oftmals auch das Ansprechen auf eine dopaminerge Therapie getestet und eine Untersuchung im Schlaflabor durchgeführt.
Zur Differentialdiagnose werden zudem immer Blutbilduntersuchungen durchgeführt, um eine Niereninsuffizienz oder Eisenmangelerkrankungen auszuschließen.
Die Bestimmung der Eisenwerte sollte ab dem Zeitpunkt der Diagnose ein fester Bestandteil der Untersuchungen bleiben. Eine systematische Abfragung zur aktuellen Einnahme von Medikamenten sollte ebenfalls erfolgen, um eine Arzneimittelnebenwirkung als Ursache auszuschließen.
Bevor eine Therapie initiiert wird, sollten Komorbiditäten diagnostiziert und gezielt behandelt werden, da das Syndrom auch in Folge einer schon bestehenden Erkrankung auftreten könnte.

Die Therapiemaßnahmen orientieren sich üblicherweise am individuellen Leiden des Betroffenen. Tritt das RLS mit Komorbiditäten auf, soll die Therapie sich zunächst an der diagnostizierten komorbiden Erkrankung orientieren, bei unbekannter Ursache des Krankheitsbildes ist nur eine symptomatische Behandlung möglich.

Neue Leitlinie zum Restless-Legs Syndrom

Zusammen mit der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) stellte die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) kürzlich eine neue S2k-Leitlinie zum Restless-Legs Syndrom vor. Anders als in den 2014 erarbeiteten und in einer Konsensuskonferenz abgestimmten Diagnosekriterien wird nun zur besseren Abgrenzung zu anderen Krankheitsbildern explizit der Ausschluss von Differentialdiagnosen empfohlen.

Knieuntersuchung beim Arzt sasirin pamai / iStock

Zur UrsachenabklĂ€rung soll eine genaue Anamnese der aktuell eingenommenen Medikamente erfolgen, um diese als eventuell verstĂ€rkende Faktoren des Syndroms ein- oder ausschließen zu können.
Neu ist auch die Ersetzung der frĂŒheren Unterteilung in primĂ€res und sekundĂ€res RLS durch ein Konzept. Diesem nach entsteht das Krankheitsbild des Restless-Legs Syndrom durch miteinander interagierende genetische, sozioökonomische und Umweltfaktoren sowie KomorbiditĂ€ten. All diese komorbiden Faktoren sollten einer frĂŒhzeitigen Diagnose und Behandlung unterliegen.
Die Bezeichnung des „sekundĂ€ren RLS“ soll demnach nicht mehr verwendet werden.

Zur Wahl der therapeutischen Maßnahmen wird eine langsame und symptomorientierte Vorgangsweise empfohlen. Dabei sollte die EinfĂŒhrung einer medikamentösen Therapie so spĂ€t wie möglich erfolgen.
Die S2k-Leitlinie empfiehlt zunÀchst eine zweimal tÀgliche orale Eisensubstitution in Kombination mit Vitamin C zur besseren Aufnahme. Bei oraler EisenunvertrÀglichkeit oder bei mittleren bis hohen Schweregraden des RLS sollte die Eisengabe intravenös ein- oder zweimal wöchentlich erfolgen.
Nachweislich wirksam und im D-A-CH-Raum zugelassen kommen alternativ Non-Ergot-Dopaminagonisten zur Behandlung infrage, darunter Rotigotin, Ropinirol und Pramipexol. Eine Behandlung mit Levodopa sollte nur intermittierend bzw. zu diagnostischen Zwecken erfolgen.

Als Medikamente zweiter Wahl können Opioide (z.B. Oxycodon/Naloxon) separat oder in Kombination mit einem Dopaminagonisten oder einem Gabapentinoid eingesetzt werden.
Aufgrund fehlender Evidenz empfiehlt die Leitlinie nicht zum therapeutischen Einsatz von Cannabinoiden, Magnesium oder Benzodiazepinen.
Um eine Augmentation, eine VerstÀrkung der Symptome bei zu hoher Dosierung der Medikation, zu vermeiden, wird der Einsatz von nur einer, so niedrig wie möglich dosierten, dopaminergen Substanz empfohlen.
ZusĂ€tzlich zur medikamentösen oder separat davon wird zu nicht-medikamentösen Therapiemaßnahmen wie die transkranielle Gleichstromstimulation, Bewegungstraining (Bettfahrrad, Yoga, etc.) und die Infrarotlicht-Therapie geraten. FĂŒr eine Empfehlung zum Einsatz von Akupunktur, pneumatischer Kompression, endovaskulĂ€rer Laserablation, Kryotherapie und Phytotherapie ist die aktuelle Datenlage nicht ausreichend.
Eine Verschlechterung oder Verbesserung der Symptomatik des RLS durch Kaffee, Alkohol, Nikotin oder andere Genussmittel ist, laut Leitlinie, nach wie vor noch nicht in grĂ¶ĂŸeren Studien geklĂ€rt worden.
Die Behandlung der Symptome bei RLS mit komorbiden Erkrankungen, wie kardiovaskulĂ€re oder psychiatrische Leiden, sollte einer sorgfĂ€ltigen ÜberprĂŒfung unterliegen.

Eine Augmentation soll klinisch durch Anamnese diagnostiziert werden und kann bei ErfĂŒllung von Definitionskriterien vorliegen. Die neue Leitlinie gibt Schritte zur Augmentationsbehandlung vor, unter anderem beinhalten diese als ersten Schritt die Kontrolle des Eisenmetabolismus.

Blutprobe mit Ferritin luchschen / iStock

Bei Schwangeren sind ein hĂ€ufig auftretender Eisenmangel auszuschließen oder zu behandeln. Die Eisensubstitution soll im ersten Trimenon bevorzugt oral erfolgen, ab dem zweiten Trimenon kann diese auch intravenös erfolgen. Eine Kombination von Levodopa mit Benserazid sollte aufgrund der embryotoxischen Nebenwirkungen nicht erfolgen, ebenso wie die Gabe von Dopaminagonisten.
Niedrig dosiertes Oxycodon oder Naloxon ist unter Vermeidung einer Kombination mit Paracetamol, Aspirin oder Ibuprofen zur Behandlung von sehr schwerem RLS in der Schwangerschaft möglich.
Aufgrund unzureichender Daten und möglicher Risiken fĂŒr das ungeborene Kind, wird von Zolpidem/Zopiclon und anderen Benzodiazepin-Rezeptoragonisten sowie Gabapentin und Pregabalin bei der medikamentösen Therapie abgeraten.
Bei Kindern und Jugendlichen wird bis auf die Eisensubstitution fĂŒr keine medikamentöse Therapie eine Empfehlung ausgesprochen. Ebenso wurden fĂŒr die nicht-medikamentösen Therapiemaßnahmen zum Restless-Legs Syndrom keine Aussagen getroffen. In der Leitlinie wird auf die Beachtung einer guten Schlafhygiene gewiesen.

Fazit

Das Restless-Legs Syndrom ist durch eine hohe Prävalenz und durch einen hohen Leidensdruck der Betroffenen gekennzeichnet. Die neue Sk2-Leitlinie empfiehlt zu einer langsam angehenden, symptomorientierten Behandlung unter Berücksichtigung der Schwere des Syndroms und der Auswirkungen auf die Schlaf- und Lebensqualität. Größere Bedeutung gewinnt die Kontrolle und Optimierung des Eisenstoffwechsels, sowie der so spät als mögliche Beginn einer medikamentösen Therapie. Aufgrund dieser Empfehlungen rücken die nicht-medikamentösen Behandlungsmöglichkeiten weiter in den Vordergrund und sollen von den Betroffenen selbst mehr in Anspruch genommen werden. Eine große Bedeutung haben hierbei die Bewegungs- und Physiotherapie.

Redaktionelle GrundsÀtze

Alle fĂŒr den Inhalt herangezogenen Informationen stammen von geprĂŒften Quellen (anerkannte Institutionen, Fachleute, Studien renommierter UniversitĂ€ten). Dabei legen wir großen Wert auf die Qualifikation der Autoren und den wissenschaftlichen Hintergrund der Informationen. Somit stellen wir sicher, dass unsere Recherchen auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basieren.
Olivia Malvani, BSc

Olivia Malvani, BSc
Autor

Als Studentin der ErnĂ€hrungswissenschaften verfasst sie Magazinartikel zu aktuellen medizinisch-pharmazeutischen Themen und verbindet diese mit ihrem persönlichen Interesse fĂŒr prĂ€ventive ErnĂ€hrung und Gesundheitsförderung.

Letztes Update

06.12.2022

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