Long Covid (Post-Covid-Syndrom)

Long Covid (Post-Covid-Syndrom)
Internationale Klassifikation (ICD) U09.-!
Symptome Müdigkeit (Fatigue), Kopfschmerzen, Aufmerksamkeitsstörungen, Muskel- und Gelenkschmerzen, Haarverlust, Atemnot, Angst/Nervosität, Depression, Verlust von Geschmack und Riechsinn, kognitive Störungen
Mögliche Ursachen SARS-CoV-2-Infektion
Mögliche Risikofaktoren weibliches Geschlecht, mittleres Lebensalter, Asthma, psychische Störungen, schwere COVID-19-Infektion, hohe Viruslast
Mögliche Therapien supportive Maßnahmen

Grundlagen

COVID-19 ist eine Multiorgan-Erkrankung, die ein breites Spektrum an Symptomen verursachen kann. Bestimmte Beschwerden können dabei auch längere Zeit nach einer akuten COVID-Infektion bestehen bleiben. Long COVID beziehungsweise das Post-COVID-Syndrom (PCS) sind das erste Mal im Zuge der COVID-19-Pandemie beschrieben worden. Es handelt sich dabei also um junge Krankheitsbilder. Haben Betroffene nach einer Zeitspanne von vier Wochen nach einer COVID-19-Infektion noch Beschwerden, wird dieser Zustand als Long COVID oder post-akute Folgen von COVID-19 (post-acute sequelae of COVID-19) bezeichnet. Bei einer Symptompersistenz von mehr als zwölf Wochen sprechen Mediziner von einem Post-COVID-Syndrom.

(iStock / Jikaboom)

Häufigkeit

Die genaue Krankheitshäufigkeit des PCS schwankt je nach Studie zwischen 2 % und 80 %. Die WHO schätzt, dass etwa 10 - 20 % der COVID-Patienten an länger anhaltenden Beschwerden leiden. Gründe für diese uneinheitlichen Häufigkeiten sind vermutlich unterschiedliche Definitionen des PCS (je nach Studie) sowie die Uneinheitlichkeit der untersuchten Populationen.

Ursachen

Die zugrundeliegenden Mechanismen eines Post-COVID-Syndroms sind derzeit noch nicht genau bekannt. Oft werden eine Viruspersistenz nach akuter Infektion, autoimmune Mechanismen, eine länger andauernde Entzündung (Inflammation) nach dem Ende der akuten Erkrankung oder auch eine endotheliale Dysfunktion hinter dem Beschwerdebild vermutet. Generell begünstigen somatische beziehungsweise psychosomatische Beschwerden in der Anamnese das Auftreten eines Long/Post-COVID-Syndroms. Auch eine hohe psychosoziale Belastung kann zu einer Persistenz der COVID-Symptomatik beitragen.

Risikofaktoren für das Auftreten eines PCS sind:

  • Biografische Faktoren (z. B. weibliches Geschlecht, mittleres Lebensalter)

  • Vorbestehende Erkrankungen (z. B. Asthma, psychische Leiden)

  • COVID-19-spezifische Faktoren (z. B. akute Symptome, hohe Viruslast)

Das Risiko eines PCS ist bei Patienten, die einen schweren akuten Krankheitsverlauf haben, im Gegensatz zu Patienten mit einer milden Symptomatik im akuten Krankheitsstadium, deutlich erhöht. COVID-19-Patienten, die im Zuge ihrer Erkrankung intensivmedizinisch behandelt werden müssen (z. B. invasive Beatmung), können im Rahmen von COVID-19 pathologische Organveränderungen (z. B. Lungenfibrose, Nierenversagen) erleiden. Diese Organveränderungen können an sich – ohne ein PCS – anhaltende Gesundheitsstörungen nach sich ziehen.

Kinder

Auch Kinder können von Long COVID beziehungsweise PCS betroffen sein. Insgesamt scheinen die Krankheitsbilder jedoch vorrangig bei Erwachsenen aufzutreten. Kinder über einem Alter von 10 Jahren und Jugendliche sind häufiger von lang anhaltenden COVID-Beschwerden betroffen als jüngere Kinder. 

Risikofaktoren für das Auftreten von Long COVID bei Kindern:

  • Weibliches Geschlecht

  • Vorerkrankungen

  • Schwerer COVID-Verlauf

Symptome

Die meisten Patienten mit COVID-19 genesen nach einer akuten Erkrankung vollständig. Ein Drittel der akut COVID-Infizierten bleibt sogar asymptomatisch. Betroffene, die nach einer akuten Erkrankung an einem PCS leiden, können jedoch sehr unterschiedliche Krankheitsverläufe haben. Das Krankheitsbild ist also nicht einheitlich. Oft führen PCS-Symptome zu einer Einschränkung der Lebensqualität und haben einen negativen Einfluss auf das Sozial- beziehungsweise das Berufsleben.

Die häufigsten Symptome im Zuge eines Post-COVID-Syndroms sind:

SymptomHäufigkeit bei PCS-Betroffenen
Müdigkeit (Fatigue)
58 %
Kopfschmerzen44 %
Aufmerksamkeitsstörungen
27 %
Muskel- und Gelenkschmerzen
26 %
Haarausfall
25 %
Atembeschwerden (Dyspnoe)
24 %

Kognitive Störungen

Verlust von Geschmack und Riechsinn

Schlafstörungen
Angst und Depression

Bei der Mehrzahl der PCS-Beschwerden handelt es sich um unspezifische Symptome. Oft kann im Zuge der Diagnostik kein organisches Korrelat für die Symptomatik gefunden werden.

(iStock / Jirapong Manustrong)

Fatigue

COVID-19-Patienten und auch PCS-Betroffene berichten häufig über das Symptom Fatigue. Fatigue bezeichnet eine subjektiv oft stark einschränkende, sich durch Schlaf oder Erholung nicht ausreichend bessernde Erschöpfung. Die Erschöpfung ist dabei unverhältnismäßig zu den vorausgegangenen Anstrengungen und äußert sich auf somatischer, kognitiver und psychischer Ebene. Tritt bei Menschen unter einem Alter von 60 Jahren eine schwere Fatigue mit Belastungsintoleranz, kognitiven Störungen und Schmerzen auf, sollte auch an ein Chronisches Fatigue Syndrom (ME/CFS) gedacht werden. Die Therapie der Fatigue sollte einer Symptomlinderung, sowie der Vermeidung einer Chronifizierung dienen. Behandlungsansätze umfassen etwa eine Förderung des Schlafes, eine Schmerztherapie und Maßnahmen zur Stressreduktion sowie zur Entspannung.

Diagnose

Generell sollte eine Diagnose von Post-COVID-Beschwerden multidisziplinär, das heißt, bei den entsprechenden Fachärzten (z. B. Neurologe) erfolgen. Der Grundstein für die Diagnostik eines PCS sind eine ausführliche Anamnese und eine körperliche Untersuchung durch den behandelnden Arzt. Die körperliche Untersuchung sollte dabei einen neurologischen, funktionellen und psychischen Status miteinschließen.

Weitere diagnostische Möglichkeiten bei PCS:

  • Prüfung auf Organschädigungen bei Beschwerden

  • Screening auf Depression und Somatisierungsstörungen

  • Objektivierung von Funktionseinschränkungen

  • Prüfung bezüglich einer Critical Illness Polyneuropathy (CIP)

Die Labordiagnostik bei einem PCS dient in erster Linie einem Ausschluss von anderen Erkrankungen (Differenzialdiagnostik). Bei Betroffenen mit anhaltenden Symptomen kann eine PCR auf SARS-CoV-2 durchgeführt werden, um zu unterscheiden, ob die Symptome auf einer länger andauernden aktiven COVID-Infektion beruhen oder ein PCS für die Symptomatik verantwortlich ist.

Therapie

Derzeit gibt es keine gesicherten medikamentösen Therapieoptionen für Long COVID beziehungsweise für das Post-COVID-Syndrom. Es werden zurzeit jedoch eine Vielzahl von unterschiedlichen Behandlungsansätzen (z. B. Immunadsorption, Lipidapherese oder hyperbare Sauerstofftherapie) in klinischen Studien überprüft. Einige Studien berichten zudem über einen möglichen positiven Einfluss einer therapeutischen Impfung – das heißt einer COVID-Impfung bei bereits bestehenden PCS-Symptomen – auf die Symptomatik. Die Datenlage hierfür ist derzeit jedoch noch dünn, weshalb keine allgemeinen Empfehlungen gegeben werden können.

Generell sollten PCS-Betroffene bei Bedarf eine psychosoziale Betreuung sowie eine psychosomatische Grundversorgung erhalten. Derzeit gibt es auch schon einige Long-COVID-Spezialambulanzen, die auf die Behandlung der Krankheitsbilder Long-COVID und PCS spezialisiert sind.

Pacing

Das Wort Pacing bezeichnet ein Energiemanagement-Verfahren, das sich beispielsweise zur Behandlung der bei PCS häufig auftretenden Fatigue eignet. Betroffene lernen hier ihre verfügbaren Kräfte richtig einzuteilen und sich nicht über ihre individuellen Grenzen hinaus zu belasten. Mit der Hilfe von Aktivitätenprotokollen beziehungsweise Herzfrequenz- und Aktivitätsmonitoren können PCS-Patienten so lernen, sich nicht zu überlasten. 

Coping

Der Begriff Coping bezeichnet das Bemühen einer Person, mit einer belastenden Situation umzugehen. Long COVID und PCS-Betroffene sollten im Zuge ihrer medizinischen Behandlung dabei unterstützt werden, ein angemessenes Coping-Verhalten zu entwickeln und dieses auch in ihr tägliches Leben zu integrieren. Dabei können je nach vorherrschender Symptomatik unterschiedliche Strategien zum Einsatz kommen.

Prognose

Nach einer schweren COVID-19-Erkrankung kommt es häufiger zu Organschäden (z.B. Lunge, Herz oder Nieren) als bei einem milden Krankheitsverlauf. Diese Schäden können mit bestimmten gesundheitlichen Langzeitfolgen in Verbindung stehen.

(iStock / wildpixel)

Derzeit ist noch unklar, wie lange die Symptome eines PCS anhalten können. In den meisten Fällen bessert sich die PCS-Symptomatik über einen Zeitraum von vier bis acht Wochen. In einigen Fällen können die Beschwerden jedoch auch mehr als 12 Monate anhalten. PCS-Symptome entwickeln sich in seltenen Fällen auch erst 6 Monate nach einer akuten COVID-19-Erkrankung.

Vorbeugen

Aktuell sind keine vorbeugenden Maßnahmen zum Schutz vor Long COVID beziehungsweise einem Post-COVID-Syndrom bekannt. Die COVID-Impfung kann das Risiko für beide Krankheitsbilder reduzieren, jedoch bietet sie bei einer Durchbruchinfektion auch nur einen Teilschutz vor länger andauernden COVID-Symptomen. Am besten schützt man sich vor einem PCS durch die Vermeidung einer Infektion beziehungsweise einer Reinfektion mit SARS-CoV-2 durch die Einhaltung von Infektionsschutzmaßnahmen (z. B. gründliche Händehygiene).

Redaktionelle Grundsätze

Alle für den Inhalt herangezogenen Informationen stammen von geprüften Quellen (anerkannte Institutionen, Fachleute, Studien renommierter Universitäten). Dabei legen wir großen Wert auf die Qualifikation der Autoren und den wissenschaftlichen Hintergrund der Informationen. Somit stellen wir sicher, dass unsere Recherchen auf wissenschaftlichen Erkenntnissen basieren.
Dr. med. univ. Moritz Wieser

Dr. med. univ. Moritz Wieser
Autor

Moritz Wieser hat das Studium der Humanmedizin in Wien absolviert und studiert derzeit Zahnmedizin. Er verfasst vorrangig Artikel zu den häufigsten Krankheiten. Besonders interessiert er sich für die Themenbereiche Augenheilkunde, Innere Medizin und Zahnmedizin.

Thomas Hofko

Thomas Hofko
Lektor

Thomas Hofko befindet sich im letzten Drittel seines Bachelorstudiums der Pharmazie und ist Autor und Lektor für pharmazeutische Themen. Er interessiert sich besonders für die Bereiche Klinische Pharmazie und Phytopharmazie.

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