Kinderlähmung (Poliomyelitis) bei Baby & Kind

Kinderlähmung (Poliomyelitis) bei Baby & Kind
Internationale Klassifikation (ICD) A80.-

Grundlagen

Unter Kinderlähmung (Poliomyelitis, kurz Polio) versteht man eine akute Virusinfektion, die von Fieber begleitet wird. Meistens verläuft die Erkrankung ohne dass man sie bemerkt, oder sie ähnelt einem grippalen Infekt. Befällt das Poliovirus jedoch die Nervenzellen im Rückenmark können dauerhafte Lähmungen auftreten oder in seltenen Fällen sogar zum Tod führen.

Nur weniger als ein Prozent der Erkrankten leidet unter den namensgebenden Lähmungen. Der flächendeckenden Schutzimpfung ist es jedoch zu verdanken, dass es in den Industrieländern kaum noch Fälle von Kinderlähmung gibt. Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist mit der kompletten weltweiten Ausrottung von Poliomyelitis zu rechnen

Ursachen

Als Erreger für Kinderlähmung gilt das Poliovirus. Die Ansteckung erfolgt in den meisten Fällen fäkal-oral. Dies bedeutet, dass das infizierte Kind die Erreger mit dem Stuhl ausscheidet, die Viren in den Nahrungskreislauf gelangen und erneut mit der Nahrung in den Körper gelangen. Deshalb besteht auch für die Eltern des infizierten Kindes ein erhöhtes Ansteckungsrisiko. Die Ansteckung kann beispielsweise durch das Windelwechseln oder die Nahrungszubereitung erfolgen.

Kurze Zeit nach der Infektion ist auch die Ansteckung von Mensch zu Mensch durch eine Tröpfcheninfektion möglich.

Eine Person, die sich mit Kinderlähmung infiziert hat, ist schon 36 Stunden nach erfolgter Ansteckung infektiös und kann über mehrere Wochen hinweg andere Personen unbemerkt anstecken.

Symptome

Die Kinderlähmung hat einen phasenweisen Krankheitsverlauf. Die erste Phase (sechs bis neun Tage nach der Ansteckung) ist von der Vermehrung der Viren gekennzeichnet. Es äußern sich unspezifische Krankheitssymptome, die einer Grippe ähneln. Zum Großteil (über 95 Prozent) kommt es zum Abheilen der Krankheit, nachdem die ersten Symptome abklingen.

Nur bei rund ein bis zwei Menschen von 100 Betroffenen kommt es nach einer beschwerdefreien Zeit von etwa einer Woche zum Eindringen des Erregers in das zentrale Nervensystem (zweite Krankheitsphase). Tritt dies ein, erkrankt das betroffene Kind an einer Hirnhautentzündung, die als Folge motorische Störungen bis hin zu Lähmungen haben kann.

Selten können auch die basalen Hirnareale von der Entzündung betroffen sein. Als Folge kommt es zu Lähmungen der Nerven, die für das Schlucken, sowie für die Atem- und Kreislaufregulation verantwortlich sind. Diese Form der Kinderlähmung stellt eine besondere Gefahr dar.

Folgende Symptome können bei der erste Phase der Erkrankung auftreten:

  • Fieber
  • Übelkeit und Erbrechen
  • Halsschmerzen und Schluckbeschwerden
  • Kopf- und Gliederschmerzen

Symptome der zweiten Krankheitsphase sind:

  • Fieber • Kopfschmerzen
  • Steifer Nacken
  • Rückenschmerzen
  • Muskelschmerzen
  • Schlaffe asymmetrische Lähmungen, die vor allem an den Beinen zunehmenden Muskelschwund, Beinverkürzungen und Versteifungen zur Folge haben
  • Keine Gefühlsstörungen

Treten diese Merkmale auf, sollte sofort ein Arzt aufgesucht werden.

Diagnose

Oftmals kann der Arzt schon anhand der charakteristischen Symptome und des typischen Fieberverlaufs eine Kinderlähmung erkennen. Zusätzlich wird auch auf Anzeichen einer Hirnhautentzündung untersucht, indem der Arzt den Nacken abtastet, ob dieser schmerzhaft versteift ist. Außerdem können Laboruntersuchungen Aufschluss über eine mögliche Erkrankung geben. Die Viren sind im Stuhl nachweisbar, sowie in Zellen des Rachenraums und in der Gehirn-Rückenmarks-Flüssigkeit (Liquor).

Kinderlähmung lässt sich auch durch bestimmte Eiweiße des Immunsystems (Antikörper) im Blut nachweisen.

Besteht der Verdacht auf eine Poliomyelitis des Nervensystems, führt der Arzt eine Lumbalpunktion durch. Sind Antikörper gegen das Virus im Blut nachgewiesen, muss dies nicht zwingend bedeuten, dass die Viren auch das Nervensystem befallen haben.

Therapie

Eine Therapie gegen den Erreger der Kinderlähmung ist bislang noch nicht entdeckt. Aus diesem Grund zielt die Behandlung allein darauf ab die vorhandenen Symptome zu therapieren. Geht die Poliomyelitis ohne Lähmungserscheinungen einher, kann meistens von einem Krankenhausaufenthalt abgesehen werden.

Sobald es jedoch zu Lähmungserscheinungen kommt, muss der Verlauf der Erkrankung im Krankenhaus überwacht werden, da möglicherweise auch Schluck- oder Atemlähmungen auftreten können.

Nach einer akuten Poliomyelitis erfolgt eine längerfristige Bewegungstherapie mit krankengymnastischen und orthopädischen Methoden, damit es nicht zu Spätfolgen der Lähmung von Muskeln und Wirbelsäule kommt.

Prognose

In den meisten Fällen haben die Poliomyelitis-Erkrankungen einen positiven Verlauf. Dennoch können schwere Lähmungen zurückbleiben, wenn das Nervensystem von den Viren befallen ist. Sehr selten kann es auch vorkommen, dass Kinderlähmung tödlich endet.

Als Spätfolge kommt es häufig zu dem sogenannten Post-Polio-Syndrom (PPS). Dabei kommt es noch Jahre nach den ersten Lähmungserscheinungen zu neuerlichen Beschwerden:

  • Schmerzen • Zunehmende Schwäche und Lähmungen in Muskelgruppen, die nicht betroffen waren
  • Muskelabbau (Atrophie)
  • Schnelle Ermüdbarkeit

Diese Symptome sind auf die andauernde Überbelastung der geschwächten Muskulatur zurückzuführen.

Vorbeugen

Als einzige wirksame Maßnahme um Kinderlähmung zu verhindern gilt die Impfung. Seit 1998 wird von der Schluckimpfung mit inaktivierten, aber lebenden Polio-Viren abgeraten. Stattdessen wird jetzt eine Impfung mit abgetöteten Viren verabreicht.

Die Impfung gegen Kinderlähmung zählt zu den empfohlenen Standardimpfungen, die Kindern im Zuge einer Routineuntersuchung beim Kinderarzt verabreicht werden. Um eine Grundimmunisierung zu gewährleisten, erhalten Kinder vier Impfdosen innerhalb der ersten zwei Lebensjahre. Im Alter zwischen neun und 17 Jahren ist eine Auffrischung anzuraten.

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Danilo Glisic

Danilo Glisic
Autor

Als Biologie- und Mathematikstudent verfasst er leidenschaftlich Magazinartikel zu aktuellen medizinischen Themen. Aufgrund seiner Affinität zu Zahlen, Daten und Fakten, liegt sein Fokus dabei auf der Beschreibung von relevanten klinischen Studienergebnissen.

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