HĂ€mophilie (Bluterkrankheit)

HĂ€mophilie (Bluterkrankheit)
Internationale Klassifikation (ICD) D66

Grundlagen

Bei der HĂ€mophilie handelt es sich um eine vererbte Störung der Blutgerinnung. Bei Verletzungen gerinnt das Blut der Betroffenen nicht oder zu langsam. Zudem treten hĂ€ufig sogenannte Spontanblutungen auf, ohne dass eine Wunde oder sonstige Ursache fĂŒr die Blutung festgestellt werden kann. Betroffene bluten bei Verletzungen zwar nicht stĂ€rker als Gesunde, jedoch im Regelfall deutlich lĂ€nger, was zu starken Blutverlusten fĂŒhren kann.

Die hÀufigsten Blutgerinnungs-Erkrankungen stellen die HÀmophilie A sowie die HÀmophilie B dar, bei denen jeweils die AktivitÀt eines bestimmten Blutgerinnungsfaktors gestört ist.

In den meisten FĂ€llen sind ausschließlich MĂ€nner von einer HĂ€mophilie betroffen. Durchschnittlich leidet etwa einer von 5000 mĂ€nnlichen Neugeborenen an HĂ€mophilie. Umgangssprachlich wird bei einer Person mit HĂ€mophilie von einem Bluter gesprochen.

Ursachen

Bei einer HĂ€mophilie leiden die Patienten unter einer angeborenen Störung bestimmter Blutgerinnungsfaktoren. Dabei handelt es sich um im Blut gelöste Stoffe, welche bei Verletzungen die Bildung von Thromben (Blutgerinnseln) bewirken, wodurch die GefĂ€ĂŸverletzung abgedichtet und der Blutverlust gestoppt wird. Das menschliche Blutgerinnungssystem besteht aus 13 Blutgerinnungsfaktoren, welche mit den römischen Zahlen I bis XIII bezeichnet werden. Bei der HĂ€mophilie A ist die AktivitĂ€t des Blutgerinnungsfaktors VIII herabgesetzt, bei der HĂ€mophilie B die AktivitĂ€t des Faktors IX.

HĂ€mophilie A und B stellen die bekanntesten Formen der HĂ€mophilie dar. ZusĂ€tzlich existieren noch andere Krankheitsbilder, die manchmal unter dem Begriff „HĂ€mophilie“ zusammengefasst werden:

  • HĂ€mophilie A: Die Ursache dieser Form liegt in einer reduzierten AktivitĂ€t des Blutgerinnungsfaktors VIII (antihĂ€mophiles Globulin). Die Erkrankung wird X-chromosomal-rezessiv vererbt, wodurch fast ausnahmslos nur MĂ€nner davon betroffen sind, da diese im Gegensatz zu Frauen nur ein X-Geschlechtschromosom besitzen.
  • HĂ€mophilie B: Dabei liegt ein Mangel an dem Blutgerinnungsfaktor IX (Christmas-Faktor) vor. Auch diese Erkrankung wird X-chromosomal-rezessiv vererbt, wodurch in erster Linie MĂ€nner davon betroffen sind.
  • Stuart-Prower-Faktor-Mangel: Die Ursache dieser Blutgerinnungsstörung liegt in einem Mangel des Faktors X (Stuart-Prower-Faktor). Die Erkrankung wird autosomal-rezessiv vererbt, wodurch MĂ€nner und Frauen gleich hĂ€ufig betroffen sind. Diese Blutgerinnungsstörung ist jedoch sehr selten.
  • ParahĂ€mophilie (Owren-Syndrom, HypoproakzelerinĂ€mie): Dabei liegt ein Mangel des Gerinnungsfaktors V vor, der autosomal-rezessiv vererbt wird.
  • AngiohĂ€mophilie (Willebrand-JĂŒrgens-Syndrom): Diese Blutgerinnungsstörung wird durch einen Mangel des von-Willebrand-Faktors verursacht. Dabei handelt es sich um ein TrĂ€gerprotein des Faktors VIII. Die AngiohĂ€mophilie stellt die hĂ€ufigste autosomal-dominant vererbte Gerinnungsstörung dar.
  • HĂ€mophilie C (Rosenthal-Syndrom): Die Ursache dieser Erkrankung liegt in einem Mangel des Faktors XI. Dadurch treten vor allem bei Kindern leicht Gelenkseinblutungen oder Blutungen bei minimalen Verletzungen auf.

Symptome

Eine Erkrankung an HĂ€mophilie macht sich dadurch bemerkbar, dass die Patienten bei Verletzungen lĂ€nger bluten als Gesunde. Zudem können bei schweren Formen der HĂ€mophilie sogenannte Spontanblutungen auftreten, bei denen es zu Blutungen kommt, ohne dass eine bestimmte Ursache (beispielsweise eine vorhergehende Verletzung) festgestellt werden kann. Auch Gesunde leiden unter Spontanblutungen, jedoch heilen diese im Normalfall schnell und unbemerkt ab. Prinzipiell können die Spontanblutungen ĂŒberall auftreten, es gibt jedoch bei einer HĂ€mophilie typische Lokalisationen wie zum Beispiel Einblutungen in die Gelenke.

Die StĂ€rke der Symptome hĂ€ngt davon ab, inwiefern die AktivitĂ€t der Blutgerinnungsfaktoren reduziert ist. Liegt die AktivitĂ€t bei unter einem Prozent der normalen AktivitĂ€t der Gerinnungsfaktoren, handelt es sich um eine schwere HĂ€mophilie. Bei bis zu fĂŒnf Prozent AktivitĂ€t um eine moderate HĂ€mophilie und bei fĂŒnf bis 40 Prozent liegt eine milde Form der HĂ€mophilie vor. Die Symptome der HĂ€mophilie A unterscheiden sich nicht von denen der HĂ€mophilie B.

Diagnose

Der erste Hinweis auf das Vorliegen einer HĂ€mophilie ergibt sich aus dem Auftreten ungewöhnlicher Blutungen. Charakteristisch fĂŒr eine HĂ€mophilie sind spontane, schmerzhafte Einblutungen in große Gelenke (beispielsweise dem Kniegelenk) oder in Muskeln. Zudem können großflĂ€chige Blutungen unter der Haut sowie bei kleinen Verletzungen eine stark verlĂ€ngerte Zeitspanne, bis das Nachbluten zum Stillstand kommt, Hinweise auf die Erkrankung darstellen. Falls auffĂ€llige Blutungen auftreten, kann mittels eines einfachen Gerinnungstests eine grobe Beurteilung der Gerinnungsfaktoren durchgefĂŒhrt werden.

Die endgĂŒltige Diagnose einer HĂ€mophilie kann jedoch nur durch eine Analyse der Blutgerinnungsfaktoren VIII und IX gestellt werden. Mithilfe von bestimmten Untersuchungsverfahren im Labor kann die exakte Konzentration dieser Faktoren im Blut bestimmt werden. Zudem werden im Regelfall auch die der HĂ€mophilie zugrunde liegenden genetischen VerĂ€nderungen bestimmt. Durch die genaue Bestimmung des Ausmaßes der Erkrankung kann anschließend mit einer auf den jeweiligen Patienten genau abgestimmten Therapie begonnen werden.

Falls in einer Familie bereits FĂ€lle von HĂ€mophilie-Erkrankungen aufgetreten sind, wird bei mĂ€nnlichen Nachkommen im Normalfall direkt nach der Geburt eine Blutuntersuchung durchgefĂŒhrt, sodass eine HĂ€mophilie ausgeschlossen beziehungsweise bestĂ€tigt werden kann.

Therapie

Eine Heilung der HĂ€mophilie kann heutzutage noch nicht erreicht werden. Die derzeitige Therapie besteht darin, bei den Betroffenen prophylaktisch oder im Falle einer Verletzung die fehlenden Blutgerinnungsfaktoren zu substituieren. HierfĂŒr werden HĂ€mophilie-Erkrankten mehrmals wöchentlich bestimmte Faktoren-Konzentrate verabreicht – im Normalfall können sie sich die PrĂ€parate selbst in die Venen spritzen. Mithilfe der Faktoren-Substitution können HĂ€mophilie-Erkrankte zumeist ein weitgehend normales Leben fĂŒhren.

Falls es trotz einer prophylaktischen Therapie zu einer grĂ¶ĂŸeren Blutung kommt, muss eine zusĂ€tzliche Dosis an Faktoren-Konzentraten verabreicht werden. Bei kleineren Wunden (beispielsweise SchĂŒrfwunden) ist in der Regel keine weitere Verabreichung von Faktoren-Konzentraten notwendig – die Blutung kann auch durch Abdecken und die AusĂŒbung von leichtem Druck gestoppt werden.

Besteht die Gefahr einer inneren Blutung (beispielsweise nach einer schweren Verletzung), muss so rasch wie möglich ein Krankenhaus aufgesucht werden.

Prognose

Die Prognose einer HĂ€mophilie-Erkrankung hĂ€ngt in erster Linie davon ab, ob die Patienten frĂŒhzeitig eine Therapie mit Gerinnungsfaktoren-PrĂ€paraten erhalten. Mit einer ausreichenden medizinischen Versorgung unterscheidet sich die Lebenserwartung sowie die LebensqualitĂ€t von Menschen mit HĂ€mophilie kaum von Gesunden. Die Betroffenen mĂŒssen jedoch von extremen körperlichen Belastungen und von Sportarten wie beispielsweise Boxen, Wintersport oder Athletik absehen.

Ohne eine adÀquate Therapie (beispielsweise in LÀndern mit unzureichender medizinischer Versorgung) erreichen viele Patienten mit einer stÀrkeren Form der HÀmophilie nicht das Erwachsenenalter. Laut SchÀtzungen der WHO erhalten weltweit nur etwa 25 Prozent aller HÀmophilie-Patienten eine ausreichende Behandlung mit den sehr teuren Blutgerinnungsfaktoren-PrÀparaten.

Vorbeugen

Da es sich bei der HÀmophilie um eine genetisch vererbte Erkrankung handelt, ist eine Vorbeugung nicht möglich.

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Danilo Glisic

Danilo Glisic
Autor

Als Biologie- und Mathematikstudent verfasst er leidenschaftlich Magazinartikel zu aktuellen medizinischen Themen. Aufgrund seiner AffinitÀt zu Zahlen, Daten und Fakten, liegt sein Fokus dabei auf der Beschreibung von relevanten klinischen Studienergebnissen.

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